Bericht einer Neuen

Als Mittfünfzigerin – mit kaum vorhandener Chorerfahrung – bestand bei mir schon immer der Wunsch, in einem Chor zu singen. Tagespflichten, nicht zuletzt die zeitintensive Pflege meiner Eltern, hinderten mich regelmäßig daran, diesen Plan auch in die Tat umzusetzen.

Ganz anders vor sechs Wochen! Über die Internet-Seite des saarländischen Chorverbandes suchte ich mir drei Chöre aus, die
a.) in räumlicher Nähe
b.) möglichst selten bis keine kirchlichen Lieder singen und
c.) just an dem einen Abend in der Woche proben, an dem ich nicht schon im Wasser schwimme, auf einer Yoga-Matte schwitze oder mit Stöcken durch den Wald wandere.

E-Mails waren schnell geschrieben, kopiert und an die jeweiligen Adressen verschickt.
Darauf hin: Warten.
Dann: Eine Stimme antwortete auf sympathische, lockere Weise: CHORIOSES!
„Komm einfach das nächste Mal her, wir treffen uns dann und dort. Wir freuen uns! Liebe Grüße, Vorname.“
„Hmmm“, dachte ich, „wenn das so einfach ist, dann komme ich einfach so.“

Am Abend fahre ich zum Treffpunkt und bin froh, mein GPS-Gerät dabei zu haben. Denn trotz passabler Ortskenntnisse fällt mir die Orientierung schwer. Es ist dunkel, es regnet, ein Parkplatz, ein Schulhof, kein Mensch – außer mir.
Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, warum: Ich bin deutlich zu früh dran!
Schon schleichen sich erste Zweifel ein:
„Wen treffe ich heute Abend hier an? Vielleicht eine Gruppe langjähriger Chormitglieder, die einen Neuling als Störfaktor oder (noch schlimmer) als Konkurrenz wahrnehmen?“
Und: „Oh Schreck … muss ich jetzt vielleicht erst vorsingen?“.
Daran hatte ich vorher noch gar nicht gedacht!

Ich bin kurz davor, den Wagen wieder zu starten und umzukehren, als ich eine Gruppe Menschen in der Dunkelheit wahrnehme, die fröhlich schwatzend in Richtung Eingang marschiert.
„Also gut“, denke ich, „Aussteigen und hinterher!“.

Ein freundliches „Hallo“ begrüßt mich an der Eingangstür des Schulgebäudes von allen Seiten.
Ein unsicheres „Hallo, ich bin die Neue“ murmele ich zurück.
Eine Person kommt auf mich zu, Küsschen rechts und Küsschen links, ein „Guten Abend, wir kennen uns schon, denn wir haben geschrieben“ bricht sofort das Eis und ich folge guter Dinge der Gruppe nach oben über dunkle Treppen und Flure.
„Ob ich jemals wieder den Weg nach draußen finde?“ geht mir kurz durch den Sinn, als ich den warmen und hell beleuchteten Proberaum betrete.

Schnell ist ein Stuhlkreis aufgebaut und ich mittendrin, zwischen Tenor und Alt. Freundliche Gespräche um mich herum. Jemand hatte kürzlich Geburtstag. Die Nachbarin rechts spricht mich an und stellt humorvoll fest, dass mein Vorname schon einmal in der Runde vertreten ist. Die Nachbarin links stellt sich vor und benennt jede/-n Einzelne/-n der Chormitglieder mit Namen. Mir schwirrt der Kopf.
„Die vielen Namen kann ich mir unmöglich alle merken“ denke ich gerade, als die Chorleiterin den Raum betritt.

„Oh, ist sie jung und hübsch dazu! Sie könnte durchaus meine Tochter sein!“, denke ich, als mir Notenblätter gereicht werden.

Ich halte mein erstes Lied in den Händen: „I`ll be there“.
Bingo, das kenne ich! Dieser Song ist perfekt. Genau solche Lieder möchte ich singen! Es fühlt sich gut an. Ein Stein fällt mir von dem Herzen.

Und dann der glasklare Sopran der Chorleiterin!
Sarah, ja ich glaube, so heißt sie. Herzerweichend!
Und ich mittendrin. Mir wird ganz warm ums Herz.
Ich freue mich! Meine Zweifel sind wie weggeblasen!

Ich nehme den Titel meines ersten Liedes zum Motto:
„Ich werde da sein“.
Denn ich bin angekommen!

Ich, die Neue.

Autorin: Bärbel Metzinger (BäM)